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Circus Knie - Tour 2006
www.knie.ch

Basel, 10. Juni 2006: Betrachtet man das aktuelle Programm „Sooo Guet“ des Schweizer Nationalcircus Knie, kommt einem unweigerlich in den Sinn: „So und nicht anders muss klassischer Circus heute sein“. Knie begeistert auch in diesem Jahr mit einem Programm, das den traditionellen circensischen Dreiklang bedient und doch mit der Zeit geht, indem es dank geschickter Regie, tollem Licht und einer großartigen Kapelle mehr ist als eine bloße Nummernrevue. An Viktor Giacobbo ist es dabei, den roten Faden zu spinnen, was ihm auch ausgezeichnet gelingt. Nie wirkt der Schweizer Fernsehstar wie ein Fremdkörper.


Victor Giaccobo

Im Gegenteil: er gibt dem Programm Kontur. Hinreißend gibt er den liebenswerten Kiffer Fredi Hinz, der im Circus Arbeit findet und sich in den Kopf setzt, eine Wal-Nummer einzustudieren. Daraus wird selbstredend nichts, aber immerhin schafft er es, dem Kamel Suleika die „klassische Hohe Schule des Trampeltiers“ beizubringen. Zwischendurch findet Fredi noch Zeit, das Publikum zu einer urkomischen La-Ola anzustacheln, gemeinsam mit den Requisiteuren eine Revolution anzuzetteln und mit einem nie enden wollenden Repertoire an witzigen Sprüchen die Lachmuskeln der Zuschauer zu reizen. Kein Wunder, dass er zum Ende des Programms von der Familie Knie adoptiert wird.


Franco jun. und Franco, Géraldine Katharina und Mary-José Knie

Selbige sorgt ein mal mehr für erlesene Tierdressuren. Mary-Jose Knie führt je fünf Guanakos und fünf weiße Lamas in die Manege. Assistiert von Klaus-Dieter Schuknecht formiert sie die Kleinkameliden zu wunderschönen Figuren, wirkt aber leider etwas überfordert. Franco und Franco Knie jr. präsentieren ihre Elefanten dagegen souverän wie immer. Mein tierisches Highlight: die zum Niederknieen schönen Pferdedressuren von Fredy Knie jr. Je fünf Friesen und fünf Palominos laufen schier unglaubliche Figuren, denen selbst das geübte Auge nur schwer folgen kann, formieren sich zu Steigern und liegen ab. Wobei ein Pferd erst dann bereit ist, sich vollends hinzulegen, als ihm der kleine Ivan-Frederic ein Kissen hinlegt. Ebenso wunderbar anzusehen, ist die Hohe Schule – geritten auf dem pechschwarzen Schulpferd Nino - von Geraldine Knie, die von einem Geiger eingeleitet wird.


Duo Jaster, Gvozdetskaya, Sam und Sandra

Aber auch artistisch hat Knie heuer einiges zu bieten: Schlicht perfekt – Musik, Kostüme & Choreographie - ist das eindrucksvolle Diabolo-Ballett der sieben freundlich lächelnden Chinesinnen aus Beijing. Geradezu unglaublich sind die Ikarischen Antipoden eines ebenfalls chinesischen Duos aus Zhenjiang. Da genügt es nicht, dass der männliche Part – im Handstand befindlich - seine Partnerin auf seinen Füßen balanciert, nein, gleichzeitig balanciert sie mit Händen und Füßen – nach Art der Antipodisten - vier Regenschirme. Wahnsinn!! Ebenfalls von beeindruckender Perfektion ist die ambitionierte Arbeit von Sam und Sandra am chinesischen Mast – wunderbar ausdrucksstark als „Vertical Tango“ vorgetragen und vom Publikum frenetisch gefeiert. Die ebenfalls hochklassige Armbrust- und Messerwerf-Show der Jasters wirkt vergleichsweise bieder dagegen. Irritiert war ich von der Stangenwurf Darbietung der Gvozdetskaya. Im Programmheft als Hommage an Shakespeares „Romeo & Julia“ angekündigt, arbeiteten sie statt dessen zu Techno-Musik in sehr futuristischen Kostümen. Nur gut, dass die Velez Brothers zum Schluss mit ihren furiosen Todesradsprüngen noch mal für Stimmung sorgten.

Das abschließende Finale wird dann von den bezaubernden Mädchen der kasachischen Compagnie gestaltet, die bereits im Laufe des Programms immer wieder mit kreativen Einlagen verblüfften. Im Finale geleiten sie die einzelnen Artisten als Cheerleader in die Manege, wo diese von einem restlos begeisterten Publikum im Stehen gefeiert werden. Wie gesagt: „So und nicht anders muss klassischer Circus heute sein“.

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Text: Sven Rindfleisch; Fotos: Stefan Nolte