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Circus Barum - Tour 2006
www.circus-barum.de

Würzburg, 21. April: Sandro Montez hat das Kostüm gewechselt: Der „große Tierfreund und exzellente Tierlehrer“ des Circus Barum präsentiert sich seit Saisonbeginn nicht mehr im strengen Napoleon-Look der Spanischen Hofreitschule, sondern als Gaucho aus Südamerika. Passend dazu stellt er der großen Pferdefreiheit mit – in der besuchten Vorstellung – zehn braunen und weißen Araberhengsten den Auftritt der vier Lamas voran. Das große Barum-Orchester aus Polen beweist ebenfalls lateinamerikanisches Temperament, und Montez macht die feurige Präsentation offensichtlich Spaß. Es folgt der Auftritt des halben Dutzends Mini-Ponys.

Das Exoten-Tableau kommt in dieser Saison also ohne die Lamas aus: Nach den vier Zebras bevölkern die Dromedare und Kamele die Manege; die sechs Kamele knien als Schlusstrick jeweils zwei und zwei am Manegenrand – allein es fehlt das Guanako oder ähnliches, das nun über die tierischen Hürden springen könnte. Also stehen die Kamele einfach wieder auf und machen Platz für den Nashornbullen Tsavo. So oder so: Sandro Montez ist ein Meister seines Faches und seine Dressuren – wie alle Tiernummern im Hause Barum – sind eine wahre Augenweide.


Les Saits, Anatoli Joukov

Weniger schön anzusehen ist die Darbietung Anatoli Joukovs. Gewiss: Der stämmige, ältere Herr mit der spindeldürren Assistentin zeigt eine extreme Leistung: Vor seinem Auftritt trinkt er – O-Ton-Pressesprecher Fuhrmann: „je nach Tagesform vier bis sechs Liter“ – Wasser und speit dieses in der Manege wieder aus. Zwei Schalen auf Ständern nutzt er dabei nur als unverbindliche Zielvorgabe; das meiste Wasser landet auf dem Teppich. Anschließend legt er sich rücklings auf den Boden, die Assistentin stellt sich auf seine ausgestreckten Hände und lässt haushaltsübliche Küchenmesser – mit der Spitze nach unten! – auf seine angespannte Bauchdecke fallen. Der Mann überlebt unverletzt. Schließlich pumpt er drei Liter Petroleum in seinen Magen und tritt dann nicht als gewöhnlicher Feuerspucker, sondern als eine Art menschliche Fackel auf, wobei er seine Feuerbälle unerhört lange in der Luft halten kann. Kein Zweifel: eine leistungsstarke Nummer, wie wir sie noch nicht gesehen haben, die Gesprächsstoff liefert und wohl die meisten Heimwegs-Gespräche nach dem Barum-Besuch beherrscht, gewiss auch ein stets dankbares Presse-Thema abgibt. Aber: Das Ganze ist nur schaurig und gar nicht schön. Uns gefiel die Nummer nicht. Eine positive Überraschung bei Barum 2006 sind dagegen die Comedy-Illusionen von „Les Saits“. Gerd Siemoneits Sohn Maximilian gibt den seriösen Illusionisten, David Paschke – Spross von Tourneeleiter Wolfgang Paschke – seinen schusseligen Gegenpart, und beide buhlen in schwarzen Fräcken und mit Zylinder um die hübsche Assistenten im goldenen Kleid – im echten Leben übrigens Max Siemoneits Freundin, Rosita Berossini. Vor einem Jahr assistierte sie noch ihrem Schwager Jarda Ross in dessen Magic-Show, ebenfalls im Barum-Zelt. „Les Saits“ entführen in die Goldenen 20er, tanzen den Charleston, haben den Swing – und das fabelhafte Barum-Orchester swingt kräftig mit. „Les Saits“ lassen ihr Publikum staunen, wenn Rosita der säbel-durchbohrten Kiste unversehrt entsteigt, und sie sind herrlich komisch, wenn das weiße Kaninchen zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort auftaucht – ein wahrlich zauberhafter Circus-Spaß. Der Name „Les Saits“ soll sich übrigens an das tschechische Wort für Hase anlehnen – der tragenden Rolle des weißen Kaninchens wegen.


Elaine Courtney, Alexander Lacey, Truppe Ignatov

Das Weitere ist bekannt: Rebecca Siemoneit-Barum präsentiert eine witzige, kleine Dressur mit einem Pony und drei Hunden; ihr Mann Pierre Bauer repariert weiterhin zweimal am Tag die Notbeleuchtung unter dem Zeltdach, ehe er seine Artistik am schwankenden Mast zeigt; Elaine Courtney stürzt sich am Schwungseil kopfüber in die Tiefe, das Clownsduo Grigorescu erfreut mit seiner harmlos-amüsanten Musikalkomödie, Mirko und Krzysztof zeigen das übliche Repertoire einer Todesrad-Darbietung und Alexander Lacey die wohl beste gemischte Raubtierdressur, die es derzeit gibt. Den Schlusspunkt setzt die Truppe Ignatov mit ihren Salti von Pferd zu Pferd.

Insgesamt serviert „Barum“ einen liebevoll und wohltuend rasant inszenierten, bunten und unterhaltsamen Manegencocktail, der in Sachen Artistik noch ein zusätzliches Glanzlicht vertragen könnte und bei dem das Orchester eine Attraktion für sich ist.

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Text: Markus Moll; Fotos: Sven Rindfleisch