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Flic Flac - New Art 2005
www.flicflac.de


Mainz-Kastel, 11. November 2005: Als es gegen Ende der letzten Saison in der Gerüchteküche hieß, Flic Flac macht was völlig Neues, schossen die Spekulationen nur so ins Kraut. Und was ist: Auch mit dem neuen Programm „New Art“ bleibt Flic Flac vor allem eins: sich selbst treu. Nachdem man das Experiment, den Artisten das Kompliment zu verbieten, schnell zu den Akten legte, ist Flic Flac auch heuer wieder: Spektakulär, atemberaubend, innovativ und experimentell. Nur ein bisschen weniger provokant vielleicht. Obwohl, mit der angedeuteten Gruppenvergewaltigung, die das Body Trapez von Edina Tokar und Bernadett Stock einleitet, wird die Grenze des guten Geschmacks mal wieder, wenn auch nur einmal, deutlich überschritten.


Pawel Horbacz & Miroslaw Zywiols, Bodytrapez, Truppe Camadi

Geschmacksache ist sicher auch die elektronische Musikuntermalung, die oftmals eintönig und ohne wirkliche Anpassung an die Nummern vor sich hin dudelt und einem gehörig auf den Wecker fallen kann. Grandios dagegen die atmosphärische Lichtregie, die nur ab und an etwas zu selbst verliebt die Artisten im „Halbdunkeln“ stehen lässt. Aber so ist nun mal Flic Flac: auf die Gesamtinszenierung kommt es an, die Artisten müssen sich da unterordnen. Und da haben wir vielleicht doch einen Unterschied zu den alten Programmen, die Inszenierung ist diesmal eher surreal als vordergründig krawallig. Das Programm ist weiterhin ein bunter Mix aus klassischen Circusnummern in moderner Aufmachung. Und wie in jedem Flic-Flac-Programm bleiben vor allem die für das Unternehmen typischen Acts hängen.


Iana Suiarko

Namentlich dreifaches Todesrad (mit völlig durchgeknalltem Springer), Motorradkugel (heuer zu acht, Wahnsinn!) und die Camadis auf dem Hochseil. Dazu gibt es ein paar experimentelle Nummern: Etwa Iana Suiarkos leistungsstarke und interessant choreographierte Vertikalseildarbietung oder das erotische Bodytrapez. Die beide in dem knalligen Flic-Flac-Rahmen leider etwas untergehen. Das restliche Programm dagegen ist eher Standardware: von leistungsstark (Pawel Horbacz & Miroslaw Zywiols Hand auf Hand), über sehenswert (die Guidi-Ikarier) bis sehr mittelmäßig (Fliegendes Trapez). Ihre Wirkung freilich verfehlen auch diese Nummern nicht. Bezeichnenderweise sind es mit Einrad-Wirbelwind Malte Knapp und dem völlig das Tempo aus der Show nehmenden Bogenschützen Mario Sandoval Navarro, gerade die Nummern, die nicht so recht in das surreale Konzept passen wollen, die beim Publikum großen Anklang finden. Ein bisschen mehr Lebensfreude hätte „New Art“ sicher nicht geschadet. Das beweist auch der umjubelte Auftritt von Agnes Nemeth und Roland Dittmar als Groß & Klein. Das Publikum scheint neben aller Sensation, Avantgarde & Coolness nach Komik geradezu zu lechzen. Davon gibt es in diesem Flic Flac-Programm leider viel zu wenig.

Bei aller Kritik: Flic Flac bleibt ganz sicher das Beste, was es in Deutschland derzeit auf dem circensischen Sektor zu sehen gibt. Ambiente, Werbung und die Show natürlich sind top! Originäre Circusatmosphäre muss man freilich auch weiterhin wo anders suchen.

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Text: Sven Rindfleisch; Fotos: Sven Rindfleisch, Flic Flac