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Ingelheim,
18. Mai
2005: Fantastico
heißt das aktuelle Programm des Zirkus Charles
Knie und zum ersten Mal seit vielen Jahren muss
die Show in diesem Jahr ohne Großillusionist
Toliviere auskommen. Kein Nachteil wie ich finde.
Die Show kommt auch so wie aus einem Guss daher.
Klar, im Prinzip ist es klassischer Circus, aber
da ist mehr: Stil, Charme und das gewisse Etwas,
das den Funken aufs Publikum überspringen lässt
und somit aus einem soliden Programm etwas
Besonderes macht. Nehmen
wir zum Beispiel das eröffnende Charivari: Unter
Anleitung von Reprisenclown Gino Salvini
formieren sich alle Ensemblemitglieder so, dass
die Buchstaben auf ihren Papptafeln Charles
Knie ergeben. Ähnlich einnehmend ist das
peppige Finale. |
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Darin gibt Clown Gino den Blues Brother
und die Artisten und selbst Direktor Charles Knie
folgen ihm und betreten mit den typischen
schwarzen Sonnenbrillen auf den Nasen die Manege.
Das sind kleine nette Einfälle, die genau wie
die Vorstellung der Artisten aus dem Off nicht
viel kosten, aber in der Wirkung enorm sind. So
gewinnt man Zuschauerherzen! Zudem beweisen
Kostüme und Chapiteau-Ausstattung, dass Direktor
Charles Knie viel wert auf eine stilvolle Show
legt. Fantastico“ hat aber auch an artistischen Highlights
einiges zu bieten. Herausragend sind sicher die von Busch-Roland
bekannten Leiterbalancen der tschechischen Familie Wolf. |
Charles Knie, Marina und Svetlana
Trechina
Begeisterungsstürme löst
auch die beeindruckende Hula Hoop Arbeit
von Marina Trechina aus. Ihren Schlusstrick -
Marina lässt vier brennende Reifen um ihre
Hüften kreisen - habe ich so noch nicht gesehen.
Das artistische Talent hat sie wohl von ihrer
Mutter geerbt. Denn auch Svetlana Trechinas
Antipodenspiele sind sowohl tricktechnisch als
auch von der Präsentation her eine Augenweide.
Mal mehr und mal weniger spaßig ist dagegen das
Clownsduo Salvini. Ihr Koch-Entree beispielsweise
verliert durch unnötiges in die Längeziehen an
Wirkung. Gino Salvinis Version des Wie
werde ich die nervige Fliege los ist
dagegen dank netter Einfälle ein echter
Lacherfolg. Wie auch die spritzige Kaskadeur-Show
des Duo Bogdans. Aber auch die Freunde des
Tiercircus kommen bei Charles Knie auf ihre
Kosten, und wie! Seine Pferdefreiheit mit je drei
weißen und braunen Arabern lässt keine Wünsche
offen und wird zudem mit leichter Hand ohne
überflüssiges Peitschengeknalle präsentiert.
Gleiches gilt für die artenreiche Exotenfreiheit
(Kamele, Zebras, Emu, Tapir & Känguru), die
jedes einfach nur schauwertige Exotentableau von
so manchem Mitbewerber spielend übertrifft. Die
Freiheit mit sechs Lamas ist für meine Begriffe
eine Sensation: die Andentiere laufen ähnliche
Figuren wie die Pferde vor ihnen. Sie walzen gar
und bilden eine Gasse für ein gegenläufiges
Pony. Seit März dieses Jahres arbeitet Charles
Knie zudem mit zwei kalifornischen Seelöwen.
Noch sind die beiden Racker etwas undiszipliniert
und bestimmen die Reihenfolge der Tricks schon
mal selbst, die Freude an der Arbeit ist ihnen
aber zweifelsfrei anzusehen.
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Auch, wenn es
Fantastico vielleicht an einer
weiteren herausragenden artistischen Nummer fehlt
und ein Liveorchester für noch mehr Atmosphäre
sorgen könnte, was übrigens auch Charles Knie
selbst so sieht, kommt die aktuelle Show dem, was
ich unter optimalem zeitgemäßem klassischen
Circus verstehe, schon sehr nahe. Ich muss
gestehen, ich habe mich ein bisschen
verliebt
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Text und Fotos: Sven Rindfleisch
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